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Übersetzungsproblem „Trumpslation“
Seit der Amtseinführung von Präsident Donald Trump im Januar 2017 sehen sich Dolmetscher und Übersetzer auf der ganzen Welt mit einem ganz besonderen Problem konfrontiert: Wie soll man die Äußerungen des US-Präsidenten am besten in einer anderen Sprache wiedergeben? Übersetzern und Dolmetschern bereiten nicht nur seine oft rüden, scheinbar spontan geäußerten Worte, sondern auch seine politischen Reden Kopfzerbrechen.
Was ist das Problem an Trumps Sprache? Zunächst einmal improvisiert der Präsident sehr gern und hält sich nicht an das vorgegebene Manuskript seiner Reden. Wenn er freier spricht, ist häufig eine fehlerhafte oder zumindest schwer einzuordnende Syntax zu beobachten; er verwendet viele Einschübe und führt dann den ursprünglichen Satz nicht zu Ende. Dies kann zu Verständnisproblemen seitens der Zuhörer bzw. Dolmetscher oder auch zu Fehlern oder Auslassungen bei der Übertragung in die Fremdsprache führen. Seine Rhetorik lebt von Wiederholungen, provokanten Phrasen und Schlagworten. Ein Großteil seiner Reden besteht aus einsilbigen Wörtern und laut Analysen bewegt sich seine Grammatik unter dem Niveau von Sechstklässlern. Aus seiner erratischen Sprachführung die Essenz des Gesagten zu erkennen, stellt eine große Herausforderung für Übersetzer und Dolmetscher dar.
Abgesehen von diesen eher formalen, sprachlichen Besonderheiten stehen Übersetzer und Dolmetscher vor einer Herausforderung, die in der Persönlichkeit des US-Präsidenten begründet ist. Er widerspricht häufig sich selbst und seinen Mitarbeitern und springt zwischen verschiedenen Themen hin und her. Er geht häufig nicht rational vor, sondern sät ganz bewusst Unverständnis in seinen Reden. Der Zuhörer wird sich häufig fragen, ob er sich verhört hat, weil Trump auf inhaltlicher und formeller Ebene absolut unberechenbar sein kann. Er setzt sich über die Regeln der internationalen Diplomatie und Höflichkeit hinweg, ignoriert die politischen Gepflogenheiten und hat keine Skrupel, andere Menschen vor den Kopf zu stoßen.
Dadurch sehen sich vor allem Simultandolmetscher, die seine Äußerungen ad hoc vor Publikum übertragen müssen, großem Stress ausgesetzt. Sie fragen sich: Habe ich das richtig verstanden? Hat er das wirklich gerade gesagt? Die meisten Politiker halten sich in der Öffentlichkeit an gewisse Konventionen, sodass man als Dolmetscher gewisse Inhalte antizipieren kann. Trump hebelt diese Gewissheiten aus, was zu einer erhöhten psychischen Belastung auf Seiten der Übersetzer und Dolmetscher führen kann.
Wie soll man nun als Dolmetscher mit der Ausdrucksweise des US-Präsidenten umgehen? Ein möglicher Ansatzpunkt wäre es, die Reden zu glätten, die Wiederholungen zu streichen und die Beleidigungen zu entschärfen. Doch ist es nicht die Aufgabe des Übersetzers oder Dolmetschers, korrigierend tätig zu werden, auch wenn ihm die rüden Worte mitunter nicht leicht über die Lippen gehen. Ein solcher Ansatz wäre sinnentstellend und würde auch die Persönlichkeit des Originalredners kaschieren. Würde man eine Rede von Trump nur rein sachlich wiedergeben, würde ein Großteil der Wirkung verlorengehen. Die Aufgabe eines Übersetzers bzw. Dolmetschers besteht letztlich darin, das, was der Redner sagt, in eine andere Sprache und Kultur zu transportieren. Doch auch die Tonalität, z.B. die Lässigkeit bei Obama oder die Aggressivität bei Trump, sind wichtig, wenn der Zuhörer, der des Englischen nicht entsprechend mächtig ist, sich einen Eindruck von der Person und ihrer Einstellung machen möchte. Das Publikum soll die unpassenden und häufig auch falschen Darstellungen („Fake News“) erkennen können und selbst einordnen und bewerten dürfen.
Natürlich besteht eine gewisse Gefahr, dass der unwissende Zuschauer bzw. Zuhörer zunächst einen Fehler des Dolmetschers oder Übersetzers befürchtet, doch nur auf diese Weise wird deutlich, was für ein Mensch der Redner ist, sodass sich jeder sein eigenes Bild machen kann.
Bei all diesen professionellen Überlegungen sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass durch die Verdolmetschung auch der Dolmetscher als Mensch unter Umständen einer großen psychischen Belastung ausgesetzt ist. Hier muss man versuchen, eine professionelle Distanz zu dem Gesagten zu wahren und seine Rolle als Übersetzer bzw. Dolmetscher von den eigenen Einstellungen und Befindlichkeiten zu trennen.
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